Mehr Sozialwohnungen, eine Regelung der Bodenpreise, Entlastung durch die Landkreise und mehr betreute Angebote für wohnungslose Menschen – das haben Vertreter der Inneren Mission München auf der Jahrespressekonferenz des diakonischen Trägers zum Thema Wohnungsnot in München gefordert. „Wenn man da nicht gegensteuert, kann das zu extremen Verhältnissen führen“, warnte Gordon Bürk, Geschäftsführer des Evangelischen Hilfswerks.

Im Vergleich zu 2011 hat sich laut Bürk die Zahl der Menschen, die im Wohnungslosensystem – also in Notunterkünften, Beherbergungsbetrieben und Clearinghäusern betreut werden – derzeit fast verdreifacht: von 3.200 auf 9.000. Nach Schätzungen leben zwischen 550 und 1.000 von ihnen auf der Straße. Dazu kommen Menschen in prekären Wohnverhältnissen.

Die Ursachen dafür sieht Bürk in der steigenden Armut und in einem extremen Mangel an bezahlbarem Wohnraum. Wer seine Wohnung verliert, habe kaum noch die Chance, wieder etwas Bezahlbares zu finden. Bürk wörtlich: „Die Menschen geraten in einen Teufelskreis, aus dem sie nicht mehr herauskommen.“

„Die Stadt muss ausreichend sozialen Wohnungsbau betreiben, der auch dauerhaft in sozialer Bindung bleibt“, forderte er. Die Flächen dafür seien allerdings begrenzt. Zudem dominiere in München der freie Wohnungsmarkt extrem, in dem Vermieter die Preise bestimmen können: Von den derzeit 790.000 Wohnungen seien nur 71.000 im sozialen Wohnungsbau. Im Vergleich dazu gehörten in Wien 60 Prozent der Wohnungen der Stadt, 75 Prozent unterliegen einer Mietpreisregelung. „Umso attraktiver eine Stadt ist, umso mehr Einfluss muss sie auf den Wohnungsmarkt haben“, forderte Bürk.

Zudem bedürfe es politischer Entscheidungen und gesetzlicher Regelungen wie einer funktionierenden Mietpreisbremse, einem Wohnraumaufsichtsgesetzes gegen prekäres Wohnen und Mietwucher, weniger baurechtlicher Vorschriften sowie einer Deckelung der Bodenpreise. Mehr Handlungsbedarf sieht Bürk auch bei den acht Landkreisen rund um München: „Sie profitieren wesentlich von der Landeshauptstadt, also sollten sie auch einen größeren Beitrag in punkto Wohnen leisten.“ In der Bayerischen Verfassung sei verankert, dass jeder Bewohner Bayerns ein Recht auf eine angemessene Wohnung hat: „Das können wir in München schon lange nicht mehr erfüllen“, resümierte Bürk.

Für die Wohnungslosenhilfe seien neue Konzepte gefragt: „Viele der uns anvertrauten Menschen sind aufgrund von sozialen und gesundheitlichen Belastungen nicht in der Lage, alleine zu wohnen“, sagte Bürk. Daher brauche es mehr unterstützende Angebote, zum Beispiel sozial betreute Wohnhäuser. Hier haben die Bewohner einen eigenen Mietvertrag für ihre Wohnung, werden aber sozialpädagogisch und in Gesundheitsfragen unterstützt. Ein solches Angebot mit 39 Appartements baut die GWG München derzeit auf dem ehemaligen Stückgutgelände an der Josef-Felder-Straße in Pasing; die soziale Betreuung übernimmt das Evangelische Hilfswerk.

„Neben Bildung ist Wohnen das zweite große soziale Thema des 21. Jahrhunderts, das uns aufgegeben ist“, sagte Günther Bauer, Vorstand der Innere Mission München. Er warnte davor, Wohnen als Ware zu sehen: Bauland sei ein knappes, begrenztes Gut, das nicht einfach ungeregelten Marktmechanismen überlassen werden kann. „Das ist ein politisches Thema, das in den nächsten Jahren angegangen werden muss.“ So seien von 1962 bis 2015 bundesweit die Baulandpreise um 1.600 Prozent und die Mieten um 495 Prozent gestiegen, der normale Preisindex hingegen nur um 302 Prozent.

„Wohnen ist mehr als ein Dach über dem Kopf, es ist ein Zuhause, ein Ort, an dem man Gäste empfangen kann und Nachbarschaft hat, von der man soziale Unterstützung bekommen kann“, sagte Bauer. In Zukunft solle der Wohnungsbau auch verstärkt gemeinschaftliches Wohnen mit zielgruppen- und generationenübergreifende Angeboten anstreben, forderte er. 

Als „blinden Fleck in der Politik“ bezeichnete Bauer das Thema Wohnen. Handlungsbedarf sieht er insbesondere auf Bundesebene, unter anderem im Baurecht, bei der Steuergesetzgebung und der Förderung von Wohnungsbau. „Steuerliche Förderanreize genügen nicht“, betonte er. „Vielmehr müssen Bund, Länder und Kommunen mehr selbst in dauerhaft gesicherten sozialen Wohnraum investieren.“

Als „ziemlich unkonkret“ bezeichnete Bauer die Sondierungsergebnisse von CDU/CSU und SPD zum Thema Wohnen. In ihrem Sondierungspapier sähen sie nur eine Milliarde Euro pro Jahr für dieses Gebiet vor. „Das ist bei 200.000 fehlenden Wohnungen allein in Oberbayern noch nicht einmal der berühmte Tropfen auf den heißen Stein“, resümierte Bauer. „Um die allergrößten Engpässe anzugehen, benötigt es mindestens 10 Milliarden Euro pro Jahr.“

Isabel Hartmann

Ansprechpartner:

Gordon Bürk Geschäftsführer Evangelisches Hilfswerk Tel.: 089/12 69 91 – 341 E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!