Eine Bodenrechtsreform ist nötig – und überfällig
Wie kann die bayerische Landeshauptstadt eine „Wohnstadt mit Herz“ werden? Dieser Frage widmete sich das Fachforum des Münchner Netzwerks Wohnungslosenhilfe am heutigen Donnerstag. Das Grundproblem: In München wird es selbst für Normalverdienende immer schwerer, preisgünstigen Wohnraum zu finden; rund 9.000 Menschen haben derzeit gar kein Dach über dem Kopf. Thomas König, Geschäftsführer des Internationalen Bundes, konstatierte dementsprechend: „Die Wohnungslosigkeit ist in der Mittelschicht angekommen.“ Und Ludwig Mittermeier vom Katholischen Männerfürsorgeverein forderte, dass das gesamtgesellschaftliche Anliegen nach bezahlbarem Wohnraum von allen Gruppierungen getragen werden müsse und nicht nur von den Verantwortlichen in der Politik. Jörn Scheuermann, Koordinator der Wohnungslosenhilfe Südbayern, kritisierte, dass „Wohnraum neben Pflege und Gesundheit zur Ware und damit zum Gewinnobjekt gemacht worden“ sei.
Münchens ehemaliger Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) plädierte für eine längst überfällige Reform des Bodenrechts; es dürfe nicht sein, „dass es innerhalb eines Kalenderjahres Preissprünge von 100 Prozent gibt, sobald ein Investor ein neues Anlagengebiet ausgesucht hat“. Das Baurecht sozialverträglich zu ändern sei „das zentrale Thema des 21. Jahrhunderts“. Derzeit profitierten nur wenige von diesen explosionsartigen Gewinnen, so der ehemalige OB. „Wenn diese Gewinne in private Taschen fließen, beschleunigt das die soziale Spaltung.“
Zugleich kritisierte der SPD-Politiker, dass es in der Bevölkerung große Widerstände gegen Neubauten gebe. „Alle wollen zwar, dass es mehr Wohnungen gibt, aber wenn dann gebaut werden soll, sind alle dagegen.“ Dann sei die Hundewiese, der freie Parkplatz oder die leere U-Bahn wieder wichtiger, habe es bei zahllosen Bürgerversammlungen geheißen. Von München aus erfolge derzeit nicht wie in den 50-er und 60-er Jahren eine „Flucht ins Grüne, sondern eine Vertreibung durch das hohe Kostenniveau“, so der Alt-OB. Und wörtlich: „Es ist schrecklich, wenn ganze Berufsgruppen sich die Stadt nicht mehr leisten können.“ Die finanzielle Belastung sei für viele zwischenzeitlich unerträglich: „Die Reichen werden immer reicher, die Armen immer zahlreicher.“
Sophie Wolfrum, emeritierte Professorin für Städtebau und Regionalplanung an der TU München, forderte von der Stadt, mehr Bauflächen auszuweisen sowie „höher und dichter“ zu bauen. Dies müsse viel offensiver geschehen. Auch sie kritisierte die exorbitanten Gewinne, die einige Wenige durch die Änderung des Bodenrechts realisierten, und wies auf die Bayerische Verfassung hin, derzufolge diese Gewinne der Allgemeinheit zustehen.
Klaus Honigschnabel