Reiseziel waren drei Landkreise, aus denen viele Obdachlose im Münchner Kälteschutz kommen.
Kontrastreiche Erfahrungen“, „beeindruckende Begegnungen“, „bunt und mutig“, „mit neugierigen Augen hin, mit offenem Herzen zurück“ – das sind nur ein paar der Eindrücke der 25 Teilnehmenden, die am Mittwoch von einer dreitägigen Informationsreise nach Rumänien zurückgekommen sind. Das Reiseziel: die Landkreise Arges, Brasov (Kronstadt) und Covasna. Denn rund ein Viertel der Obdachlosen, die im Münchner Kälteschutz übernachteten, stammen aus Rumänien.
Ein wesentlicher Teil davon kommt aus diesen drei Landkreisen, viele aus sehr armen Dörfern, in denen sie zur Roma-Minderheit oder zur ungarisch-sprechenden Minderheit gehören. Das hatten Mitarbeitende der Migrationsberatung Wohnungsloser „Schiller 25“ in den vergangenen Winterperioden festgestellt.
Vernetzung mit Behörden und sozialen Einrichtungen
Unter den Teilnehmenden an der Informationsreise, die das Evangelische Hilfswerk München organisiert hat, waren Stadträte aus allen Parteien, Vertreter des Sozialreferats sowie des Referats für Arbeit und Wirtschaft und Mitarbeitende der Arbeiterwohlfahrt und des Evangelischen Hilfswerks. Ihr Ziel: sich mit Behörden und sozialen Einrichtungen vor Ort zu vernetzen und sich über mögliche Unterstützungsangebote zu informieren.
Wo kommen die Armutsmigranten her? Was treibt die Menschen dazu, nach München zu kommen? Wie kann man sie in ihrer Heimat gezielt unterstützen, dass sie sich nicht mehr gezwungen fühlen, diese zu verlassen – und dann aufgrund fehlender Perspektiven in München wieder in Armut stranden? Um Antworten auf diese Fragen zu finden, hat die Reisegruppe in den drei Tagen mehr als 850 Kilometer zurückgelegt.
Keine Kanalisation, kein Strom
Auf dem Programm standen unter anderem Gespräche mit Regierungsvertretern auf Kreisebene, Jugend- und Sozialämtern, Arbeitsagenturen, Bürgermeistern und sozialen Träger.
Beim Besuch der Dörfer, in denen Roma leben, sei sehr klar geworden, warum die Menschen nach München kommen, sagt Anton Auer, Bereichsleiter beim Evangelischen Hilfswerk: „Das sind teilweise Slums, die Häuser sind verfallen, die ungepflasterten Wege überschwemmt, es gibt oft keine Kanalisation und keinen Strom.“
Spürbare Diskriminierung
Die Diskriminierung gegen Roma sei spürbar gewesen: „Sie bekommen keine Arbeit, weil sie keiner einstellen will.“ Daher müsse der Fokus von möglicher Unterstützung auf Bildung und Beschäftigung liegen.
Auf dem Programm standen auch mehrere durch Spenden oder EU-Gelder finanzierte Projekte, die die Menschen vor Ort unterstützen: Stationen waren unter anderem ein Zentrum für Berufsorientierung und -förderung, ein Roma-Projekt der Caritas sowie eine Werkstatt in der – nach dem Prinzip Hilfe zur Selbsthilfe – Fenster für die Häuser der umliegenden Dörfer gebaut werden.
„Die Reise hat mir die Lage vor Ort näher gebracht und sehr wichtige Erkenntnisse für die weitere Zusammenarbeit mit der Zielgruppe in München verschafft“, resümiert einer der Teilnehmenden.
Ideen weiterentwickeln
„Das erste gemeinsame Ziel ist erreicht: Wir haben sehr konkrete Aspekte der EU-Migration kennengelernt, die weit über die allgemeine Perspektive, die bekannten Klischees oder auch über nackten Zahlen hinausgingen“, sagt Andreea Untaru, Leiterin von „Schiller 25“ und Organisatorin der Reise. „Wir hoffen, dass wir alle gemeinsam die daraus entstandenen Ideen erfolgreich weiterentwickeln können.“
Die nächsten Schritte: Die Kontakte zu den Behörden und den sozialen Trägern sollen weiter ausgebaut werden. Und bei einem Nachtreffen wollen die Teilnehmenden die auf der Reise entstandenen Ideen diskutieren und Vorschläge erarbeiten, wie die Stadt München den Menschen in ihrer Heimat helfen kann.
Weitere Eindrücke der Teilnehmenden:
- "Bekanntlich stirbt die Hoffnung zuletzt und ich hoffe sehr, dass es gelingt, die Lebensverhältnisse der Roma vor Ort zu verbessern. Aber das bedeutet große Anstrengungen auf vielen Ebenen: national, lokal und europäisch - und nicht zuletzt bei den Roma selbst."
- "Vielen Dank allen Teilnehmer*innen für die Vorbereitung und Organisation einer eindrucksvollen und sicher unvergesslichen Inforeise in ein Land im Aufbruch."
- "Man muss es mit eigenen Augen gesehen haben."
- "Die Reise hat mir die Lage vor Ort näher gebracht und sehr wichtige Erkenntnisse für die weitere Zusammenarbeit mit der Zielgruppe in München verschafft."
- "Auch, wenn wir einen sehr straffen Zeitplan hatten, so hat es uns doch genau diese Mischung ermöglicht, vielfältige Eindrücke zu gewinnen!"
- "Nicht NUR eine Inforeise!"
- "Kontrastreiche Erfahrungen."
- "Mit neugierigen Augen hin, mit offenem Herzen zurück."
- "Beeindruckend. Fantastische Organisation."
- "Bunt und mutig."
- "Eine sehr informative Reise, beeindruckende Begegnungen und eine angenehme Atmosphäre in der Gruppe."
- "Interessante Inforeise und Organisation."
- "Das Ziel der Reise war, Kontakte zu knüpfen und gegenseitig Informationen auszutauschen. Wir waren darauf gefasst, Elend und Perspektivlosigkeit zu erleben und wir haben damit gerechnet, nicht mit fertigen Lösungen zurückzukehren, zu vielschichtig ist das Thema. Tatsächlich kommen wir von der Reise mit vielen widersprüchlichen Eindrücken zurück. Wir haben Menschen gesehen, die in bitterer Armut leben und keine Perspektiven für sich und ihre Kinder sehen. Wir haben aber auch sehr engagierte Menschen getroffen, die mit entsprechender Unterstützung sich und ihren Familien solche Perspektiven erarbeiten konnten. Wir haben wirkungsvolle Bildungs- und Berufsbildungsmaßnahmen kennengelernt und gesehen, welcher Aufschwung von solchen Projekten ausgehen kann - und wie viel mehr Unterstützung solcher Projekte es vor Ort braucht. Wir haben auf der Reise eine Menge Facetten einer sehr komplexen Realität erfahren und sehen können. Die Organisator*innen haben es geschafft, den Sachverhalt von vielen Seiten zu beleuchten und Kontakte auf den Ebenen der Politik, Verwaltung, Nichtregierungsorganisationen und zu Betroffenen zu knüpfen. Die Reise war intensiv und spannend und informativ und äußerst wichtig. Wir sehen den dringenden Handlungsbedarf, der hier auf den verschiedenen politischen Ebenen besteht. Die Problemlagen sowie mögliche Lösungen sind komplex und wir begrüßen, dass ein erster Schritt getan ist, um kommunale, transnationale und europäische Ideen zu erarbeiten und auf den Weg zu bringen."